Donnerstag, 10. November, 60. Tag
Wir verabschieden uns von Wolfgang und Anette. Die beiden wollen weiter über die großen Salzpfannen nach Kubu Island. Eigentlich eine schöne Gegend, die man sich anschauen sollte. Aber unsere Zeit drängt langsam, und außerdem haben wir keine Lust mehr auf Sand, Staub, Gerüttel und Hitze. Wir wollen in den Osten Südafrikas.
„Viel Spaß Euch beiden. Nehmt’s locker und wir wetten, dass ihr bis Ende März in Afrika bleiben werdet. Auch mit dem 109er!“
Nach vier Wochen sind wir wieder alleine unterwegs. Kein Begleitfahrzeug im Rückspiegel oder ein paar Meter vor uns.
Stattdessen kommen uns kurz hinter Nata in Richtung Francistowen drei Schwertransporter entgegen. Der erste fährt gerade mit Überbreite an uns vorbei, als der zweite ca. 30 Meter vor uns plötzlich ca. 15 qm Abdeckbleche seiner Ladung verliert! Wie riesige Blätter von jeweils 3 Meter Länge und 1 Meter Breite segeln, fliegen und flattern uns fünf Wellbleche aus vier Metern Höhe entgegen. Vollbremsung, alles, was im Landy hinten liegt, fliegt nach vorne. Noch immer fliegen die Scheißbleche vor uns mit Tempo 80 durch die Luft, mindestens die Hälfte der jeweils 30 Kilo schweren Dinger wird in der nächsten Sekunde in den Landy einschlagen, sich in den Kühler bohren, die A-Säulen wie Butter zerschneiden, mir den Kopf abhacken oder mich zumindest in tausend Scherben blutüberströmt und verletzt auf dem Sitz zurücklassen. Es scheppert drei- viermal, der Landy macht ein paar Sätze und schlingert und etwa 20 Meter hinter den Blechen kommen wir endlich zum Stehen. Wie durch ein Wunder sind alle fünf Bleche ein paar Meter vor uns auf den Boden gekracht und wir sind mit lautem Getöse über alle drübergefahren. Völlig zerbeult liegen die Dinger über die gesamte Fahrbahn verteilt. Puh, Glück gehabt! Die drei Fahrer der Schwertransporter haben mittlerweile auch angehalten; der letzte, der gar nicht der Verursacher war, ist damit beschäftigt, sich das Malheur anzusehen und die Bleche von der Fahrbahn zu räumen. Er kommt weder auf den Gedanken, sich nach unserem Befinden zu erkundigen, noch kommt ein Wort der Entschuldigung. Na, da ist er bei mir aber an der falschen Adresse. ´Leicht gereizt und angefressen´ stelle ich den Fahrer zur Rede. Übelste Beschimpfungen der untersten Kategorie muss der zweifelsohne desinteressierte Mann über sich ergehen lassen und zeigt nur auf den zweiten LKW, der etwa 100 Meter entfernt steht. Na gut, dann muss der eben daran glauben. Wutentbrannt mache ich auch den zweiten Fahrer an, will seinen Ausweis haben, für wen er fährt und das er Glück hat, nicht morgens um 10 Uhr drei Leute im Osten Botswanas auf dem Gewissen zu haben. Der junge Fahrer, 25, ist auch relativ eingeschüchtert, fährt für die Firma seines Vaters die Ladung nach Sambia, hat aber auch in meiner Rage keine Chance, sich irgendwie aus der Misere herauszureden. Wie auch, Schwertransport mit ungesicherter Ladung zuckelt tausende Kilometer durch Afrika und verliert die Hälfte. Pech für uns und für ihn, dass wir zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Na, wie dem auch sei. Außer einem gehörigen Schrecken ist uns nichts passiert. Trotzdem werden wir von nun an genauer hinsehen, welches afrikanische Himmelfahrtskommando mit zu hoher, zu breiter oder schlecht verzurrter Ladung uns entgegenkommt oder unseren Weg kreuzt. Viele maroden Kisten, die uns immer mal entgegenkommen oder überholen, haben einen TÜV oder etwas vergleichbares noch nie gesehen und die Fahrer haben oftmals keinen Führerschein. Von irgendeiner Haftpflichtversicherung oder dergleichen ganz zu schweigen. Wenn wir mal jemanden über den Haufen fahren sollten, sind wir versichert und man kann den Schaden irgendwie begleichen. Wenn uns aber ein Einheimischer mit seinem Schrotthaufen den Landy platt fährt oder wir zu Schaden kommen, blieben wir auf alle Fälle auf den Kosten sitzen. Ein Totalschaden unverschuldet am Ende der Welt wäre schon schlimm, schwer verletzt in einem Krankenhaus zwischen Mokohalele und Kahzungu wäre der Supergau.
Am frühen Nachmittag erreichen wir im Osten des Landes das Rhino Sanctuary Trust Camp. In diesem kleinen Reservat wurden die letzten frei lebenden Nashörner Botswanas angesiedelt (es waren nur noch 3 oder 4, mittlerweile sind es wieder 23) und wir hoffen, wenigstens eines davon zu Gesicht zu bekommen.
Auf dem Campingplatz sind wir die einzigen heute Abend. Stille, kein Geräusch, müde, kaputt.
Thomas
Freitag, 11. November, 61. Tag
Raus aus Botswana. Wird auch langsam Zeit. Einerseits ein interessantes Land mit ungeheurem Tierreichtum, grandiosen Landschaften und Nationalparks, andererseits die touristische Abzocke mit überhöhten Preisen, durchweg schlechtem Standard und der unübersehbare Kontrast zu Namibia und zu weiten Teilen Südafrikas. Eine riesige Kluft zwischen unzähligen einheimischen Touristenunternehmen und der überwiegend armen Bevölkerung. In den letzten beiden Monaten sind wir noch nie von so vielen Kindern angebettelt worden, die nicht nur ´Sweets´ und ´Money´ wollten, sondern alles, was sie in unserem Auto sahen: ´Gimme Phone´, ´Gimme Book´, Gimme, gimme, gimme´. Dazu die Erkenntnis, dass die Kids oder jeder andere, der uns anbettelte, nicht den Kram wollten, weil sie Hunger hatten, sondern weil fast alle das Erbettelte an der nächsten Ecke versuchen zu Geld zu machen. Mit den Leuten auf der Straße ein Gespräch anzufangen und sich mit denen einfach nur zu unterhalten, ist völlig sinnlos. Die wollen nur Geld und sonst nichts. Haben sie etwas bekommen, sind sie sofort verschwunden.
Wenn uns jemand nach Brot gefragt hat, so hat er etwas bekommen. Geld, Stifte oder Lutscher aus dem Fenster zu schmeißen, um den ´armen Kindern eine Freude zu bereiten´? Fehlanzeige!
Auf den letzten 100 Kilometern bis zur Grenze bei Martin´s Drift versperren uns immer wieder Kontrollen den Weg. Veterinärzäune, die Angst vor der Maul- und Klauenseuche, das Unterbinden von Fleischeinfuhr und Transport in andere Landesteile, lassen uns alle paar Kilometer stoppen. Unfreundliche Kontrolleure, die in der Kühlbox herumwühlen, selbsternannte Sheriffs, die einfach mal den Verkehr anhalten und sich wichtig machen.
Südafrika ruft!
Die Grenzbeamten haben es auch nicht sonderlich eilig. 5 Mann hocken in ihrem Verschlag, einer arbeitet, die anderen lungern mit den Füßen auf den Tischen herum, spielen Solitär am PC, schlafen oder lesen Zeitung, trotz einer Schlange von Ausreisewilligen.
Die ersten 200 Kilometer in Südafrika passiert nichts. Eine lange Straße bis zum Horizont, keine Ortschaft, nur wieder die langen Farmzäune rechts und links der Straße. Nach einer Pinkelpause und einem Rundgang um das Auto bemerke ich, dass der rechte Hinterreifen innen auf einer Länge von 10 cm aufgeschlitzt ist. Sieht so aus, als hat sich da ein Blech hineingebohrt. War da nicht was mit Blechen vor 500 Kilometern? Zum Wechseln haben ich keine Lust; er hält ja. Vielleicht fahren wir ja auch schon mehrere Tausend Kilometer damit herum und ich habe es jetzt erst bemerkt.
In Mokopane, etwa 250 Kilometer von Johannesburg, ändert sich das Bild. Menschenmassen in riesigen Vororten, die zum Großteil aus Blech- oder Lehmhütten bestehen, Fußvolk beladen mit Kisten und Körben auf den Straßen.
Im Stadtzentrum finden wir endlich eine Bank, wo wir unsere Reiseschecks tauschen können. Wir haben nämlich keinen Cent Bargeld mehr.
Die letzten Euro haben wir in Maun in Pula getauscht, das Geld ist ausgegeben und wäre in Südafrika sowieso völlig wertlos.
Mit Bargeld und vollem Tank fahren wir nach Südosten in Richtung Blyde River Canyon. Bis dahin sind es zwar noch fast 300 Kilometer, aber wir werden mit Sicherheit einen schönen und sicheren Übernachtungsplatz finden.
Doch die Gegend ist nicht sonderlich auf den spärlichen Tourismus hier oben eingestellt. Stattdessen riesige Plantagen mit Bananen, Zitrusfrüchten und Weintrauben.
Wir hangeln uns von Ort zu Ort, suchen vergeblich einen Campingplatz. Langsam wird es dunkel; bis Dullstrom, der im Reiseführer als kleiner, sicherer Ort mit Übernachtungsmöglichkeit beschrieben ist, sind es noch 80 Kilometer, 40 davon ungeteert über einen Pass in die Berge.
In der Dämmerung geht es noch einmal in den Staub und spärlich beschildert in die dunklen Berge. Zum wild campen ist die Gegend zu sehr befahren bzw. bewohnt und sowieso nur Weidezäune an der Straße. Nach 10 Stunden Fahrt und über 640 Kilometern finden wir doch tatsächlich so eine Art Paradies: Dullstrom. Ein kleiner Ort, der überhaupt nicht nach Afrika gehört, sondern eher in eine amerikanische Landschaft mit Bergen mit schnuckeligen Häusern, Restaurants, Kitsch, Weihnachtsbeleuchtung, alten Straßenlaternen und Hotels. Aber kein Campingplatz. Egal, heute zahlen wir jeden Preis für ein gemütliches Bett. Im ´The Old Transvaal Inn´ bekommen wir ein schönes Zimmer für umgerechnet 25 Euro. Der Nachtwächter, der auf unser Auto aufpasst, empfiehlt uns auch direkt ein Restaurant gleich um die Ecke. Für in etwa denselben Preis, wie die Übernachtung, schlemmen wir bei Wein, Bier, Forelle, Spareribs und Salat.
Na, geht doch!
Thomas
Samstag, 12. November, 62. Tag
Am nächsten Morgen bei Tageslicht sieht der Ort noch genauso schön aus, wie gestern Abend bei unserer Ankunft. Immer noch die kleinen Läden mit Weihnachtsschmuck, die Schokolade verkaufen, die gemütlichen Cafés und Restaurants, die verträumten Gasthäuser und Hotels. Fehlt jetzt nur noch ein halber Meter Schnee, ein Rentierschlitten mit ´nem Weihnachtsmann drauf, der freundlich winkend um die Ecke rauscht.
Dullstrom liegt immerhin auf zweitausend Meter Höhe und auf einer Postkarte unseres Hotels war tatsächlich Schnee zu sehen. Jetzt dagegen blühen überall wunderschöne Rosen und wir sitzen bei lauen Temperaturen auf der Terrasse des selben Restaurants wie am Abend.
Nach einem ausgiebigen Frühstück unter Weihnachtsgirlanden, fahren wir weiter durch die bergige Landschaft. Afrika ist seit gestern irgendwie verschwunden. Grüne Berge und Almen, Wälder und Kühe, Nebelschwaden und Temperaturen, die ungefähr zwanzigmal niedriger sind, als vor ein paar Tagen mitten in Botswana. Forellenteiche und erstklassige Hotels, die mit riesigen Werbetafeln entlang der Straße einen perfekten Angelurlaub versprechen.
Hier lässt es sich der gutbetuchte Südafrikaner, der von der Hitze im übrigen Land gequält wurde, gut gehen.
Lydenburg und Sabie sind nur einige Orte auf dem Weg zum Blyde River Canyon, den wir am Nachmittag erreichen. Vorher besichtigen wir noch die Mac Mac-Fälle, die man von der Landschaft und der Witterung her eher in Kanada oder Schottland vermuten würde.
Der Blyde River Canyon ist einer der landschaftlichen Höhepunkte Südafrikas (steht im Reiseführer – und es stimmt). Von einem Aussichtspunkt hat man einen schönen Blick auf die drei Rondavels, riesige Felsen, die nebeneinander stehen und aussehen wie die Hütten der Einheimischen. Leider wird die Sicht durch Wolken und Nebel etwas getrübt.
Thomas
Sonntag, 13. November, 63. Tag
Nachdem wir einmal um den Canyon herumgefahren sind, haben wir auch den entferntesten Punkt auf unserer Reise von Kapstadt erreicht. Wir wollen heute in den Kruger Nationalpark, weniger, um wilde Tiere zu sehen, sondern eher, um unsere ´Wild Card´ zu nutzen, die wir vor Monaten in einem Park gekauft hatten. Sie berechtigt zum ermäßigten Eintritt und lohnt sich als Familie nach etwa sechs Besuchen, geltend für alle Nationalparks in Südafrika.
Durch das Kruger Gate fahren wir nach Skukuza und wundern uns über die Touristen, die einen Verkehrsstau wegen einer einzigen Giraffe verursachen.
Na ja, uns ging es ja im September ähnlich. Für eine Giraffe oder ein Zebra wurde schon mal angehalten und viele Fotos geschossen.
Skukuza ist das größte Camp im Park, ausgelegt für 600 Gäste und heute gut besucht. Wir begnügen uns mit einem sandigen Stellplatz und grillen nach langem mal wieder am Abend.
Thomas
Montag, 14. November, 64. Tag
Noch ein weiterer Tag im Park. Am Sabie River beobachten wir einige Elefanten, Krokodile und Hippos. Das gewohnte Bild aus vergangenen Nationalparks. Nach zwei Stunden Bummelfahrt sind wir am südlichen Parkausgang bei Crocodile Bridge. So richtig vom Hocker gehauen hat uns der Park nicht. Wie man uns voraus gesagt hat, sind die Nationalparks wie Etosha und Kruger eher enttäuschend, wenn man die Tierwelt Botswanas und der anderen nördlicheren Länder erlebt hat.
Mittagszeit. Unbedingt hier bleiben, um zu übernachten, wollen wir eigentlich nicht. Wir entschließen uns, nach Nelspruit zu fahren. Am Grenzort zu Mocambique, Komatiepoort, geht es nach Südwesten, in Richtung Kapstadt. Das GPS zeigt an, dass es 1620 Kilometer Luftlinie bis dahin sind und die Restfahrzeit bei unserer jetzigen Geschwindigkeit 62 Stunden 54 Minuten betragen würde! Die Kilometerzahl verdoppelt sich wahrscheinlich noch, die Fahrdauer allerdings erscheint mir ein bisschen zu lang. Wir sollten einen Zahn zulegen.
Nelspruit ist eine nette Kleinstadt mit allem, was man braucht. Schön gelegen in einer Mittelgebirgslandschaft mit Maisfeldern, Bananen-, Zuckerrohr- und Zitrusplantagen.
Thomas und Silvana
Dienstag, 15. November, 65. Tag
Wir meinen uns im Allgäu zu befinden oder in der Nähe des Genfer Sees. So sehr ähnelt sich die Landschaft. Völlig untypisch für das Afrikabild in unseren europäischen Köpfen. Ein Hinweisschild nach Zürich würde uns jetzt nicht wundern, stattdessen folgen wir der steilen Straße nach Bulembu, dem Grenzort nach Swaziland.
Die Straße ist so steil und lang, das zum aller ersten Mal die Kühlertemperatur in den roten Bereich steigt. Aber wo es bergauf geht, geht es auch wieder bergab. Atemberaubender Blick von hier oben auf die Berge, auf Lausanne, Sion und vielen aufgeforsteten Pinienwäldern (hier wird kräftig Forstwirtschaft betrieben)….
Über einen schmalen und immer wieder steilen Bergpfad erreichen wir die Grenze zum Königreich Swaziland. Die Grenzer sind sehr freundlich und stempeln unsere Pässe. Da Paula im Auto eingeschlafen ist, schmuggeln wir sie so durch. Hoffen wir mal, dass sie bei der Ausreise Swaziland verlassen darf 😉
Die Straße in dem kleinen Land führt uns durch dichte Eukalyptuswälder (ebenfalls keine Urwälder sondern aufgeforstet). Die letzten 60 Kilometer bis zur Hauptstadt Mbabane sind wieder geteert. Allerdings mit hohen Steigungen, welche die Wassertemperatur wieder in die Höhe treiben.
Auf den ersten Blick sind die Leute hier viel freundlicher, als in manch anderen Ländern, die auf unserer Reiseroute lagen. Kein aufdringliches Betteln, sondern ein Lächeln und Winken vom Straßenrand.
Die kleine Hauptstadt ist sehr übersichtlich und bietet sogar Internetcafés. Zeit, mal wieder die letzten Neuigkeiten in die wwweite Welt zu schicken, was wir morgen früh hoffentlich machen können, ohne dafür Stunden zu brauchen.
Bei Sonne, 24 Grad und Blick auf Mango- und Avocadobäume schreibt es sich wunderbar J
Thomas, Silvana & Paula