Mittwoch, 16. November, 66. Tag
Der letzte Tag im kleinen Swaziland. Das Internetcafé heute ist sogar ganz flott, nur Bilder hochladen ist nicht drin. Neben dem Café und dem angrenzenden Backpacker-Hostel befindet sich eine Mischung aus Kneipe, Disco, Restaurant und Theater, mit Motiven aus Afrika, ein bisschen Hundertwasser und Piratenschiff. Hier ist abends bestimmt eine Menge los, wenn sich Einheimische und Backpacker aus aller Welt treffen. Der Baz-Bus, der jung gebliebene Rucksacktouristen von Kapstadt bis Johannesburg transportiert, hält auch hier.
Wir verlassen Swaziland im Süden des Landes, müssen wieder mal die x-te Ausreise- und Einreiseprozedur über uns ergehen lassen. Bis jetzt 11 mal in ein Land rein, bzw. raus. Obwohl wir uns in vier Ländern bewegt haben. Fast jedes Mal die Einreiseformulare ausfüllen und Pässe abstempeln lassen. Paulas Kinderausweis ist mit seinen zwei Seiten schon lange voll. Vor allem die südafrikanischen Stempel nehmen in den Pässen Überhand: dreimal ein- und zweimal ausgereist. Gott sei Dank ist das hier alles Zollunion; da braucht man beim Grenzübertritt wenigstens kein Carnet des Passage für das Auto.
Wir sind jetzt auf der N2, die von Johannesburg nach Durban führt. Hier in nördlichen Teil Kwa-Zulu Natal wird Zuckerrohr angebaut. Alle paar Kilometer haben wir einen Lastwagen mit Zuckerrohr beladen vor uns. Das dauert dann schon ein bisschen, wenn wir den langen Brummi mit 5 km/h mehr Geschwindigkeit überholen, bei Gegenwind, pfeifender Dachlast, angeritztem Reifen und einer nervösen Kühleranzeige, die aber heute wieder im grünen Bereich liegt. Die Berge gestern und vorgestern waren wohl ein wenig zu viel.
10000 Kilometer sind wir jetzt gefahren und haben – toi, toi, toi – keine Probleme gehabt.
Die Handbremskontrollleuchte flackert jetzt bei dem geringsten Gefälle, selbst, wenn man einen Bordstein hinunter fährt.
Wolfgang und Anette haben gestern ge´sms´t; sie sind noch in Botswana und hätten gestern fast ihren Karren abgefackelt.
Nach weitern 450 Kilometern kommen wir am Indischen Ozean an. Den Hluhluwe Game Park (sprich: Schluschluwe) lassen wir aus. Genug Löwen, Zebras und Giraffen in diesem Urlaub gesehen. In St. Lucia, wo 95% aller südafrikanischen Krokodile beheimatet sind, nehmen wir uns für zwei Tage eine kleines Apartment. Für 190 Rand ist es sehr günstig; da kosten einige Campingplätze kaum weniger.
Nach langer Zeit bleibt also das Dachzelt geschlossen und prompt fällt zum ersten mal so richtig nach mehreren Wochen der Himmel herunter. Tropischer Regen bei schwülen 25 Grad. Zu Hause wird es wohl gerade kalt.
Donnerstag, 17. November, 67. Tag
Ruhetag am Indischen Ozean. Strandspaziergang, Krokodile und Hippos gucken.
Smalltalk mit deutschen Touristen, die ebenfalls 3 Monate hier umherreisen. Mit Mietwagen, ein PKW, ab und zu mal ein Allrad für etwas härtere Strecken, und manchmal eine Teilstrecke geflogen. Billiger als wir mit dem eigenen Auto sind sie aber nicht gereist.
Zumal die Kosten, gerade hier im südlichen Afrika, für Individualreisende sehr hoch sind.
Daher hier der Tipp, bzw. der gute Rat an Bernie, der hier tüchtig mitliest, sich seine Transafrika-Reise genau zu überdenken. (Wir reden zu Hause beim Bier aber noch mal darüber): Die Kosten fressen einen auf! Wolfgang und Anette können das bestätigen. Wir haben einige ´Transfrikaner´ getroffen und nach dessen Monatsbudget gefragt: Augen verdrehen, Kopf schütteln, Achseln zucken. Sie wussten es nicht (mehr) und haben im Laufe der Monate völlig den Überblick verloren. Irgendwann resigniert man und nimmt es hin, fährt weiter und weiter, und zahlt oder gibt auf.
Dabei meinen wir jetzt nicht die Ausgaben für die Zentral- und Nordafrikanischen Länder, wo teilweise nur der US-Dollar zählt, Korruption herrscht und jeder uniformierte Hilfssheriff die vermeidliche ´Grenze´, die Straße, den Ort, die Tankstelle oder die Brücke blockiert und frech grinsend die Hand aufhält. Wir haben es – Gott sei Dank – hier unten nicht erlebt.
Wir haben es aus erster Hand gehört und es beim Grenzübertritt nach Zambia zu den Victoria Fällen fast erfahren müssen. Ein alter Pilot mit zig Jahren Afrikaerfahrung auf dem Buckel, mit dem ich mich auf einem Flugplatz unterhielt, schüttelte den Kopf, als ich ihn nach dem ´richtigen Fliegen im schwarzen Afrika´ befragte. Als Fracht- oder Buschpilot in Tansania, im Kongo oder Uganda und nicht nur Passagiere von einer südafrikanischer Lodge zur nächsten zu fliegen: ´Never again, times are over. Too dangerous, too corruptive, no stable political conditions, too many people in too different uniforms all over.´ Er meint auch, dass es eine weise und vernünftige Entscheidung von uns war, nicht den ganzen Weg bis hierunter gefahren zu sein, sondern die Verschiffung gewählt zu haben.
Die Ausgaben, die wir meinen, sind die alltäglichen Kosten, die sich auf einer Langzeitreise summieren. Alle drei Tage einkaufen und Tanken und fast jeden Tag für eine Unterkunft zahlen. Wild gecampt haben wir in 60 Tagen nur fünfmal. Sicher, hier und da wäre es noch möglich gewesen, wenn irgendwie nötig, aber es ist oft schwierig bis fast unmöglich, manchmal nicht ungefährlich und auch gar nicht sinnvoll. Nach 5-6 Stunden Fahrt durch den Busch oder irgendeine, oft trostlose Landschaft ist man froh, wenn man irgendwo ankommt, wo es evtl. Wasser gibt, es sicher ist, Leute, bzw. Reisende trifft, mit denen man sich austauschen kann, was zum gucken oder erfreuen, zum dableiben animiert und nicht irgendein knorriges Geäst mit kümmerlichem Schatten bei 40 Grad im Nirgendwo nachmittags um Fünf, wo es nichts gibt, außer einem Gratis-Übernachtungsplatz, den man am nächsten Morgen wieder verlässt und weiterfährt.
Mit 1000,- Euro im Monat, also 30,- Euro pro Tag, so wie wir es zu Hause kalkuliert haben, kommt man nicht aus.
Eher muss man mit dem Doppelten rechnen! Klar, 5 oder 10 Tage im Busch mit einer Tankfüllung und einer vollen Kühlbox ist günstig; irgendwann zahlt man aber wieder drauf: in Nationalparks (und deren vorgeschriebenen Camps), im Supermarkt, wenn die Kühlbox leer ist und wieder gefüllt werden muss, sind schnell 60-80 Euro weg; in Städten, wo man vielleicht mal wieder nach Wochen das Dachzelt zu lässt, sich ein ´billiges´ Zimmer nimmt, den Gaskocher mal auslässt und Essen geht. Zumal hier unten im südlichen Afrika alles teurer wird: der Sprit (umgerechnet 80-90 Eurocent), die allgemeinen Kosten, einkaufen, Camps (ca. 15 Euro) etc. Noch kein europäischer Standart, aber die Preise steigen!
Wir haben uns an mehreren Abenden mit Wolfgang und Anette unterhalten, die als Radfahrer ihre Kosten anders kalkulierten und auch gewohnt waren: Wenig Gepäck, wenig Zuladung, wenig Ausgaben für die tägliche Tütenmahlzeit oder Suppe, keine Kosten für das Fahrzeug, einfach nur Radfahren und sich abends müde ins Feld schlagen. Hier in Afrika mit einem großen Geländewagen: Fast unmöglich! Wer es dennoch schaffen will, muss leiden, schieben oder hungern, auf vieles verzichten und sich eventuell fragen, ob es das Wert ist.
Einmal durch Afrika mit dem eigenen Auto: Hut ab! Korruption, spezielle Preise für Ausländer, die Bürokratie, die manchmal erschütternde Gelassenheit, Trägheit und Langsamkeit Afrikas. Zitat von zwei Münchnern, die wir mit ihrem Toyota trafen: Wir sind froh, das wir nach sechs Monaten in Südafrika sind, endlich Urlaub, endlich raus aus diesem Moloch Zentralafrika. Was sie ausgegeben haben, wissen sie nicht. 15-20000 Euro waren es bestimmt. Für nichts, außer fahren, fahren und noch mal fahren.
So viel dazu.
Freitag, 18. November, 68. Tag
Es gibt keinen Diesel! Alle Tankstellen, die wir an diesem Morgen anfahren, sind leer. Gut, dass wir noch ein bisschen Reserve im Tank haben. Bis kurz vor Durban sollten wir es schaffen.
Weiter geht es an der Küste in den Süden. Überall Zuckerrohr und Bananen. Dazu Sonne, warmer Wind und der türkisblaue Ozean. Hierher verschlägt es die Johannesburger in den Ferien. 50 Kilometer nördlich Durban reiht sich ein Ferienort an den anderen. Teure Villen, Bungalows, Ferienhäuser und Hotels. Doch nur wenige Kilometer im Landesinneren sieht man die Behausungen der Schwarzen, den Müll, die stinkenden Feuer und die Kühe und Ziegen auf den Straßen. Wieder einmal ein starker Kontrast. In den Einkaufszentren und in allen Dienstleistungsberufen sieht man aber fast keine Schwarzen mehr, sondern durchweg Inder. Durban ist die größte indische Stadt außerhalb Indiens und überall trifft man freundliche und hilfsbereite Inder.
In Ballito, einem kleinen Ferienort nördlich von Durban, bekommen wir einen Stellplatz im Dolphin Resort, einem Campingplatz für Familien mit Kindern. Spielplatz, Pool, viele Kinder, viel Trubel. Genau das richtige für Paula.
Die Freude am Strand mit dem weichen Sand und der hohen Brandung währt nur für kurze Zeit: Paula wischt sich mit der Hand unbedacht eine kleine violette glitschige Qualle vom Fuß und schreit plötzlich wie am Spieß. Wer weiß, wie giftig das kleine Viech ist, wir haben keine Ahnung, wissen nur, dass Paulas Hand brennt oder piekt, aber auf alle Fälle sehr weh tut.
Zum Glück befindet sich ein Lifeguard direkt am Strand, schmiert Paulas Hand mit einer Salbe ein und meint, dass in zehn Minuten alles überstanden sei. So ist es dann auch, doch der Schreck sitzt bei Paula tief und auf Strand hat sie keine Lust mehr.
Riesige Gewitterwolken am späten Nachmittag. Blitze zucken, lautes Krachen und heftiger Wind. Kurz nachdem wir unser Vorzelt spannen, fängt es an zu schütten. Stundenlang klatscht an diesem Abend der Regen herunter. Das Vordach ist wasserdicht, doch es läuft literweise Wasser an den Seiten herunter und flutet so langsam den Boden. Andauernd muss ich unsere 20-Liter Waschschüssel, die ich zum Auffangen benutze und sich alle 5 Minuten füllt, ausschütten. An den Nachbarzelten und Wohnwagen hängen schon bald alle Vorzelte weit nach unten, voll mit Wasser und drohen zu reißen. So viel Regen haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Nach vier Stunden ist der Spuk vorüber. Das Gewitter hat sich verzogen.
Das Dachzelt ist an den Ecken und Seitenwänden von außen klatschnass, aber drinnen ist es trocken geblieben. Im Landy ist es ebenfalls trocken. Keine Wasserfälle durch das Dach, Ritzen oder andere wundersame Öffnungen.
Samstag, 19. November, 69. Tag
Ein sonniger Morgen bei 25 Grad, Mangos und Ananas zum Frühstück, dazu eine Flasche Sekt zum Geburtstag. Wie so oft in den letzen Jahren in Afrika.
Wir bleiben noch einen Tag hier. Paula hat uns überredet. Sie muss heute noch auf den Spielplatz, auf das Trampolin, in den Pool und mit den anderen Kindern spielen. Wir können also nicht weiter.
Wenn Paula mit anderen Kindern spielt und sich alle ´unterhalten´, ist das immer witzig mit anzusehen. Es läuft fast immer dreisprachig ab: Englisch, Afrikaans und Paulas Deutsch. Die Kinder verstehen sich untereinander nicht, aber das scheint sie nicht zu stören. Ganz im Gegenteil. Sie haben ihren Spaß, ziehen sich über den Spielplatz, quasseln miteinander und verstehen sich prima. Zum buddeln und springen muss der andere auch nichts verstehen, Hauptsache er hört zu und gibt keine Widerworte.
Sonntag, 20. November, 70. Tag
Wir folgen der Küste noch bis Durban und fahren dann ins Landesinnere. Wir haben noch genügend Zeit und müssen nicht auf dem kürzesten Weg nach Kapstadt. Zumal die Gegend um die Drakensberge weitaus interessanter erscheint, als die Küstenregion in der ehemaligen Transkei.
Auf dem Weg nach Westen, in Richtung Pietermaritzburg steigt die Landschaft wieder mächtig an. Grüne, fruchtbare Hügel und Berge, Wiesen und gewohnte Städtenamen: Utrecht, Newcastle, Bethlehem, Heidelberg oder Wartburg. Nachfahren deutscher Siedler leben hier und pflegen hier ihre Traditionen: Chöre, Vereine, Gasthäuser oder die Kunst des Bierbrauens.
Wir sind nach kurzer Zeit von Meereshöhe wieder auf über 1500 Meter geklettert, die Kühleranzeige hat es auch gemerkt, und befinden uns am Rand der Drakensberge.
Diese Gebirgskette ist die imposanteste und höchste in Südafrika. Der höchste Berg des Landes und der zweithöchste Wasserfall der Welt. Im Süden schließt sich das kleine Land Lesotho an. Steil fällt die über 3000 Meter hohe Bergkette nach Norden und Osten ab; auf den ersten Blick ein unüberwindbares Hindernis. Für die feuchtwarmen Luftmassen, die vom Indischen Ozean hierher ziehen, ist die Bergkette wahrlich ein Hindernis. Schon am Mittag türmen sich riesige Gewitterwolken auf und entladen sich in heftigsten Unwettern. Wir bekommen das auf einem sehr schönen Campingplatz am Fuße des über 3150 Meter hohen Cathkin Peak zu spüren. Eine riesige schwarze Gewitterzelle steht fast über uns, es blitzt und kracht und man meint, die Welt gehe gleich unter. Eine weiße Wand aus Regen und Hagel schiebt sich den Berg hinunter, zieht aber knapp an unserem Zeltplatz vorbei. Wir bekommen nur die Ausläufer zu spüren, mit schweren, dicken Tropfen, Hagel und kräftigen Windböen.
Den ganzen Nachmittag bilden sich an den Bergen weitere Gewitter mit ihren riesigen, weißen Wolkentürmen.
Als es sich am Abend abkühlt, haben sich die Unwetter aber verzogen oder aufgelöst, vereinzelt hören wir es noch grummeln und die untergehende Sonne lässt die Wolken über den Bergen rot glühen.
Montag, 21. November, 71. Tag
Wir bleiben noch in den Drakensbergen. Weit kommen wir aber nicht, denn nach nur einer Stunde Fahrt entdecken wir das Hlalanathi Resort am Fuße des Mont aux Sucres, dem höchsten Berg Südafrikas. Eigentlich auch ein Campingplatz, aber auch ein Resort mit Chalets, einem Golfplatz, Pool, Restaurant und Bar.
Wir schauen uns das strohgedeckte Haus mit Terrasse und kleinem Garten an, überlegen nur kurz und entscheiden uns für zwei Tage zu bleiben. Ein bisschen Luxus nach Hitze, Staub und Tausenden von Kilometern.
Von uns aus kann es heute Abend schütten und krachen, die ersten Vorboten zeigen sich ja schon am Himmel. Uns soll es egal sein. Wir genießen den Blick von der Terrasse des Hauses bei warmem Wind auf die abendlichen Gewitter in den düsteren Bergen.
Hi Ihr Drei,
wir haben in Swakopmund Euren Bericht gelesen. Toll.
Seit Deinem Geburtstag versuchen wir Dich per Handy oder Telefon zu erreichen. Vergeblich. Ruf uns doch mal hier auf dem Handy an oder Simse, damit wir dann darauf antworten koennen.
Gruesse aus Swakopmund, NAM. P+M