Südliches Afrika 2005 – 9. November – durch tiefen Sand in Botswana

Samstag, 05. November, 55. Tag

Es geht los in die Wildnis. 30 Kilometer nördlich von Maun hört für lange Zeit die Teerstraße auf. Ab hier Gravelroad, Piste und richtiger Tiefsand. Die kürzeste Verbindung zwischen Maun und Kasane ist ca. 360 Kilometer lang. Mit Abstechern, falschen Abzweigen und Fahrten zur Wildbeobachtung werden es locker 600 Kilometer werden. Hoffen wir, dass die 75 Liter im Tank plus 40 Liter auf dem Dach reichen. Die ersten Kilometer machen noch richtig Spaß: Die Piste ist ca. 20 Meter breit und wir suchen uns die beste Route heraus, um nicht plötzlich in einem tiefen Sandloch stecken zu bleiben. Schneller als 50 km/h werden wir nicht, dafür ist der Weg zu unübersichtlich und zu sandig.Wir ziehen schon bald wieder eine dichte und lange Staubwolke hinter uns her. Nach und nach wird die Piste schmaler, die Mopanewälder neben uns dichter. Zum ersten Mal nutzen wir unser GPS, dass uns den Weg zum South Gate des Moremi National Reserve weist.
Am Gate folgt die übliche Anmeldeprozedur: Reservierungsbestätigung, Anzahl der Personen, Kennzeichen der Fahrzeuge nennen und einen Haufen Geld bezahlen. 350 Pula, umgerechnet 60 Euro pro Fahrzeug mit Insassen für Eintritt und Camping pro Tag. Dafür wird einem aber hoffentlich etwas geboten 😉 . Wir folgen dem Schild „Third Bridge Campsite, 57 Kilometer“. Für diese relativ kurze Strecke planen wir ca. 2-3 Stunden. Es geht noch gemütlich voran, einfacher Weg kreuz und quer durch den Busch und die Wälder. Von Großwild ist nichts zu sehen. Ein paar Impalas und Kudus ziehen an uns vorbei, hier und da eine Zebraherde.
Kurz vor der First Bridge wird der Sand tiefer. Zwei schmale Spuren im Sand und sonst nichts. Mit Anlauf und genügend Schwung kommen wir anfangs noch gut voran. Bis jetzt haben wir noch keine Untersetzung gebraucht oder sind nie Gefahr gelaufen, stecken zu bleiben. Die First Bridge ist eine schmale Holzkonstruktion, 20 Meter lang, bestehend aus 3 dicken Baumstämmen längs zur Fahrtrichtung, sowie unzähligen kleinen Stämmen quer dazu. Die Brücke ist weder genagelt noch verschraubt, sondern mit Draht eher zusammen geflickt. Zum Glück ist sie nicht hoch, so stolze 90 Zentimeter und darunter lauern auch keine gefräßigen Krokodile, sondern nur sumpfiges Schilf. Mit lautem Gepolter sind wir schnell drüben und sofort wieder im tiefen Sand. Wolfgang hat uns überholt und fährt ca. 20 Meter vor uns. So sehe ich dann meistens nicht, was uns erwartet. Während der 109er vor mir im Tiefsand langsamer wird, hoffe ich, dass er schnell durch ist und ich noch mit Schwung und mehr Geschwindigkeit hinterherkomme, ohne auf ihn aufzufahren. Doch Pech: Wolfgang bewegt sich nur langsam durch den Sand, ich komme anfangs noch gut durch, fahre dann zu nah auf ihn auf und muss abbremsen – mitten im Sand. Während Wolfgang langsam aber zügig weiterkriecht, stehen wir mitten drin und kommen nicht weiter. 1. Gang – nichts. Es geht nicht vorwärts, sondern höchstens nur ein Stückchen tiefer. Rückwärts geht es dann bis zu einem Stück festerem Sand. Ein paar Augenblicke warten, um sicher zu sein, dass Wolfgang schon einen gewissen Abstand zu uns hat, Anlauf und durch. Bei Tempo 30 im 2. Gang geht’s ganz gut. Der Landy wühlt sich durch die tiefe Fahrspur und nach ein paar hundert Metern sind wir erst einmal durch. Kühlertemperatur ist okay, alle elektronischen Helferlein und Warnlampen bleiben aus. Na ja, außer Öldruckanzeige, Handbremsleuchte und Batterie haben wir ja auch keine Warnleuchte, die angehen könnte. Und elektronische Hilfsmittel gibt es nicht. So wühlen wir uns mehr oder weniger problemlos durch den Busch. Kein Auge für die Landschaft oder die Tiere, sondern nur Blick auf die schmale Sandspur vor uns. Die Second Bridge ist genauso marode wie die erste, nur der Sand ist tiefer. Als wir dem 109er wieder einmal zu nahe auf die Pelle rücken und stehen bleiben müssen, hilft auch nicht mehr der Rückwärtsgang und viel Anlauf. Die Untersetzung wirkt Wunder. Im 2. oder 3. Gang zieht uns der Motor aus dem tiefsten Sand. In der Befürchtung, wir würden bis zur Achse im Sand stecken und nur mit äußerster Kraft aus dem Schlamassel heraus kommen, haben wir doch immer 20 – 30 Zentimeter Luft unter dem Auto. Wenn es irgendwie nicht mehr weitergeht, hilft die Untersetzung immer. Nach und nach fragen wir uns, wann wir in die Verlegenheit kommen müssten, zu buddeln oder Wolfgangs Sandbleche nützen zu müssen. So tief und weich der Sand auch ist und solange eine Fahrspur vor uns ist, geht es immer weiter. Zwar langsam und manchmal hochtourig, aber es geht immer. Nach fast drei Stunden und 50 Kilometern haben wir unsere erste richtige Sandtaufe bestanden. Wir sind im Third Bridge Camp. Ein paar Bäume mit Nummern und ein völlig ramponiertes und altes Klohäuschen beschreiben unseren Übernachtungsplatz, der sich sonst aber von der Gegend hier nicht unterscheidet. Vor allem gibt es keinen Zaun, der uns vor den Tieren schützen könnte.
Nicht, dass wir beunruhigt sind, aber man hört und sieht schon etwas genauer hin, wenn ein ungewohntes Geräusch aus dem Dickicht kommt. Mit einsetzender Dunkelheit und aufziehenden Wetterleuchten werden auch die Geräusche lauter. Keine Zebras oder Antilopen, sondern Löwengebrüll und Grunzen der Hippos. Löwen kommen normalerweise nicht ins Camp, die sind ein paar hundert Meter weiter im Busch, sagt ein vorbeikommender Ranger und zeigt dorthin, wo das Löwengebrüll herkommt. Die bleiben normalerweise dahinten – normalerweise. Anette ist schon etwas beunruhigt und hat ihre Beine angezogen, eine Plastikschüssel als Kloersatz auf das Dach neben das Zelt gestellt und wünscht sich den Zeitpunkt herbei, endlich im Dachzelt verschwinden zu können. Ich kann sie beruhigen, dass Löwen nicht in offene Zelte einsteigen, aber trotz allem wie jede Katze in zwei Sätzen über die Motorhaube auf das Dach gesprungen sind. Außerdem liegen Dachzelte sprichwörtlich auf Augenhöhe zu Elefanten und deren Stoßzähnen!


Sonntag, 06. November, 56. Tag

Wir hatten eine ruhige Nacht. Nur schwere Gewitter in sicherer Entfernung, ein paar Camper, die spät abends angekommen sind, aber keine Löwenattacken, Hippoherden oder verirrte Elefanten. Wir stehen vor Sonnenaufgang auf, um Tiere zur frühen Stunde zu beobachten.
Doch die Löwenrudel, die sich über ihr gerissenes Opfer der Nacht hermachen, sehen wir nicht. Hippos an einem See, ein paar Krokodile und wie immer viele Antilopen, Zebras und die unterschiedlichsten Vögel.
Im Camp Xakanaxa machen wir Frühstückspause, als Paula so nebenbei einen Elefanten bemerkt. Ihr „Mama, ein Elefant“, ist ja ansonsten nichts ungewöhnliches, aber jetzt steht ihr Elefant ca. 10 Meter hinter unserem Auto und knabbert an ein paar Ästen. Er lässt sich durch uns nicht stören oder aus der Ruhe bringen und trottet gemächlich ein paar Meter an uns vorbei. Er scheint uns gar nicht zu beachten, als er dicht an uns vorbeischreitet. Auge in Auge mit einem Elefanten, der so nahe ist, dass wir die Borsten auf seinem Rüssel erkennen können…
Bis zum North Gate, dem nördlichen Ausgang des Parks, sind es gute 2-3 Stunden Fahrtzeit. Zum Glück kein tiefer Sand mehr, sondern eine feste und breite Piste. Hier und da ein paar Giraffen zwischen den Büschen und Bäumen. Die beeindrucken uns aber nicht mehr sonderlich.
Eher dreist, frech und lästig sind die vielen Affen im North Gate Camp, die blitzschnell von ihren Bäumen herunter sind und nach allem greifen, was herumliegt. Ehe wir uns versehen, hat ein Affe das große Brot von Anette und Wolfgang geklaut und ist damit im Baum verschwunden.


Montag, 07. November, 57. Tag

Morgendliche Pirschfahrt zum Khwai River. Unzählige Hippos im Fluss und dazwischen einige Krokodile. Die trägen Hippos, die im Wasser liegen und vor sich hindümpeln, faszinieren uns immer wieder. Sie scheinen uns genau zu beobachten, wenn wir weniger als zehn Meter von ihnen entfernt Fotos schießen und ihnen bei ihrem scheinbaren Nichtstun zuschauen. Wenn man sich ihnen nähert, tauchen sie mit einem Blubbern ab und man weiß nicht, wo sie wieder auftauchen.
Uns steht wieder ein langer Fahrtag auf rauer Piste und tiefem Sand bevor. Wir wollen heute in den Chobe Nationalpark und zum Savuti Camp, wo wir reserviert haben. Wieder müssen wir durch dichte Mopanewälder, wählen oftmals mit Hilfe des GPS die richtige Abzweigung und quälen uns immer wieder durch tiefen Sand. Langsam wird die Fahrerei anstrengend, jede Steigung im Sand mit Untersetzung nervend, die Rüttelei ist zermürbend. Trotzdem sind es noch viele Kilometer. 20 – 30 Kilometer schaffen wir höchstens pro Stunde, mehr ist nicht drin. Dazu kommt der feine Sand und der heiße Wind der durch alle Ritzen in das Auto dringt. Hat man eine schwierige Passage geschafft und kann mal in den 3. Gang schalten, um ein bisschen Gas zu geben und vorwärts zu kommen, taucht schon wieder ein tiefes Loch vor einem auf, dass man, wie so oft übersieht. Vorne eingetaucht und im nächsten Moment mit der Hinterachse herauskatapultiert, fliegt immer wieder ein Großteil unseres Wageninhaltes durch den Landy. Zum Glück geht aber nichts kaputt, weder am Landy noch bei unseren Sachen.

Savuti ist bekannt für seine Elefantenbesuche. Kam es früher häufiger vor, dass Elefanten ihren Rüssel durch das Fenster der Dusche steckten, um Wasser zu trinken und dabei den erschrockenen Duschenden nackt durch das Camp trieben, hat sich die Situation mittlerweile derart entschärft, da man eine elefantensichere Betonmauer um die Toiletten gebaut hat.
Die weit auseinanderliegenden Stellplätze sind trotz tiefem Sand sehr schön.
Während Wolfgang und Anette sich zu einer abendlichen Pirschfahrt aufmachen, tun wir etwas gegen unseren Hunger: Es gibt heute Tomaten, gefüllt mit Avocadocreme und einem Häubchen aus Lachsfrischkäse an Kartoffeln. Ein wahres Festmahl, auf dessen Reste sich die zurückgekehrten Pirschfahrer gerne einlassen, von der soeben beobachteten Löwenbande erzählend.
Die Nacht wird ruhig und friedlich, wieder keine Tierbesuche.


Thomas & Silvana


Dienstag, 08. November, 58. Tag

Unser Hochzeitstag. Eigentlich hatten wir ein Sektfrühstück mit Lachs und gebratenen Eiern erwartet, doch das gewohnte Alpenmüsli und Honigbrot müssen ausreichen.

Gleich nach dem ziemlich frühen Frühstück machen wir uns auf zu den Löwen.
Sie sind noch immer am gleichen Ort. Zwei komplette Löwenfamilien erwarten uns, dazu ein paar Geier und der Grund, warum sie sich noch immer am gleichen Ort wie gestern befinden: Zwei gerissene Elefantenkinder, von denen nicht viel mehr als die äußere Hülle übrig ist.
Zuerst entdecken wir nur den einen Elefant und sind noch mehr beeindruckt, als wir kurze Zeit später den zweiten an anderer Stelle bei der anderen Löwenbande sehen.
Stellt man sich vor, wie sehr eine Elefantenherde ihre Jungen bewacht, wie aggressiv Elefantenmütter werden können, wenn es darum geht, ihre Kinder zu verteidigen, dann möchte man sich gar nicht mehr vor Augen führen, welches (in unseren Augen) grausige Spektakel sich hier abgespielt haben muss.

Die Löwen liegen faul und vollgefressen im Schatten, das Familienoberhaupt erhebt sich nur ab und zu, um seine Gemahlin zu begatten, dazwischen ist dösen und verdauen angesagt.
Vereinzelt geht ein junger Löwe zum Elefantenkadaver, um daran zu fressen. Einer der Löwen taucht dabei geradezu in den Kadaver ein; völlig blutverschmiert ist sein Kopf.

Beeindruckt, voller Ehrfurcht und Respekt, schauen wir uns alles an. Die Löwen dagegen sind von den herumstehenden oder im Schritttempo vorbeifahrenden Touristenautos nicht wirklich beeindruckt.

Weiter geht’s von Savuti in Richtung Kasane. Noch einmal über lange Sandpisten und schöne, rotsandige Buschlandschaft. Ca. 50 km vor Kasane erwartet uns eine Teerstraße bzw. der Chobe Nationalpark, in dem es riesige Elefantenherden geben soll. Durchschnittlich 6 Elefanten pro Quadratkilometer. Die größte Ansammlung von Elefanten weltweit.
Am Tor des Parks angekommen, erfahren wir, dass das mittlere Drittel des Parks wegen Milzbrand gesperrt ist. Wir entscheiden uns, nicht von hier aus in den Park zu fahren, sondern die Teerstraße nach Kasane zu nehmen, um von dort aus evtl. den Park zu besuchen.
Kasane ist nicht ganz so chaotisch, wie andere Orte in dieser Gegend. Dafür gibt es hier viele Luxusunterkünfte, denn der bekannte Chobe Park und das Vierländereck Botswana, Namibia, Sambia und Zimbabwe mit den Victoria Fällen sind nicht weit entfernt.
Wir überlegen, wie wir das Unternehmen Victoria Fälle angehen wollen. Die einfachste und sicherste Lösung wäre die Fähre ab Kuzungula nach Sambia und von dort die Teerstraße zu den Fällen. Eine etwas unsichere Variante ist die Fahrt durch Zimbabwe. Horrormeldungen über korrupte Abzocke, kein Diesel und die unsichere politische Lage lassen uns von dem Plan abkommen. Bleibt evtl. ein Rundflug von Kasane zu den Fällen, der zwar etwas teurer ist, aber wir würden uns die Visakosten sparen. Die erste Hiobsbotschaft erfahren wir von zwei Belgiern, die wir am Supermarkt in Kasane in ihrem alten Landy treffen: Die Fälle sind fast trocken und von Sambesischer Seite nicht zu sehen. Dazu kämen Kosten von 30 US-Dollar für die Fähre und 65 US-Dollar pro Person für das Visum. Wenn wir an den trockenen Fällen ankommen würden, müssten wir noch 10 US-Dollar Eintritt zahlen. Wir wären also ca. 250 US-Dollar für einen Tagesbesuch los. Über Zimbabwe wäre es ähnlich: 30 US-Dollar für das Visum, 20 US-Dollar Eintritt. Pro Person versteht sich. Dazu käme jeweils die Einreiseprozedur mit dem eigenen Auto, Haftpflichtversicherung abschließen, Roadtax bezahlen – und das alles für höchstens 1-2 Tage! Ein Rundflug von und nach Kasane ist auch nicht möglich, weil man in Victoria Falls landen muss. Also wären auch da Visakosten fällig. Eine einfache, sichere aber auch teure Lösung wäre ein Auto mit Fahrer, der uns vom Campingplatz abholen würde. Aber auch das kostet pro Person ca. 40 Euro, zuzüglich Visa und Eintritt. Nach ein paar Bierchen entschließen wir, die Victoria Fälle nicht zu besichtigen. Zu teuer, um evtl. nichts zu sehen. Wäre genügend Wasser da, hätten wir in den sauren Apfel gebissen und den teuren Preis bezahlt. So aber nicht.

Silvana und Thomas


Mittwoch, 09.November, 59. Tag

Wir haben den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Seit fast 2 Monaten sind wir unterwegs, 7653 Kilometer haben wir ohne Probleme vom südlichsten Punkt Afrikas geschafft. A propos Probleme: Vor ca. 6000 Kilometern fing die Bremsleuchte am Armaturenbrett mal an zu flackern, wenn wir steil bergab fuhren. Das passiert seitdem immer wieder mal. Vor 4000 Kilometern löste sich eine Schraube vom Verschluss der Cubby-Box, und vorgestern fiel doch tatsächlich ein Saugnapf von der Frontscheibe runter, wo nachts der Vorhang dranhängt!
Sicher, hier und da „klongt“ es mal unten am Kardan oder aus dem Getriebe oder was weiß ich. Die Reifen haben ein bisschen gelitten, einen Platten hatten wir trotzdem bisher nicht. Sonst ist aber nichts gravierendes passiert. Mittlerweile wissen wir auch, dass auch nichts größeres passieren wird. Wir würden ohne weiteres von hier mit dem Landy heimfahren.
Doch anstatt nach Norden, müssen wir die Richtung ändern. Es geht wieder nach Süden, damit wir in 4 Wochen Kapstadt erreichen.
300 Kilometer Teer bis Nata. Entlang der zimbabwischen Grenze fast ohne Kurve mit Tempo 80. Baumwollfelder, Steppe, Busch, Ödnis entlang der Strecke.

Thomas

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